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CLBE-Commerce-Portale im Internet, Teil 2: Chemikalien
Dr. Torsten Beyer, Saarbrücken
Chemie in Labor und Biotechnik 51 (2000) 341-342

Ist der Markt für E-Commerce-Portale im Bereich Laborbedarf und Laborgeräte noch relativ übersichtlich, so ist die Fülle der Online-Marktplätze für Chemikalien im großtechnischen Maßstab kaum noch zu überschauen, da fast wöchentlich neue Anbieter hinzukommen. Der vorliegende zweite Teil dieser Artikelserie gibt einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Anbieter in diesem hart umkämpften Marktsegment.

Das amerikanische Beratungsunternehmen Forrester Research sieht die Chemie-Branche zukünftig als drittgrößten Markt im Online-Handel nach der High-Tech- und der Automobilindustrie, da gerade die Chemiekonzerne untereinander Produzenten und Nachfrager zugleich sind. Diese Fixierung auf die Geschäftsabwicklung zwischen Unternehmen, so genannte "Business-to-Business"- oder "B2B"-Lösungen, sind in kaum einer anderen Branche so stark ausgeprägt. Außerdem ist gerade die Chemieindustrie seit jeher global orientiert und damit für E-Commerce-Lösungen prädestiniert. Über die Webseiten von elektronischen Marktplätzen können die Konzerne zum einen ihre Produkte selbst anbieten und dabei neue Märkte erschließen oder zum anderen beim Einkauf von Rohstoffen durch einfachen Vergleich der in Frage kommenden Anbieter massiv Kosten einsparen. In virtuellen Auktionen besteht zudem die Möglichkeit, selbst Angebote auszuschreiben oder Aufträge im offenen Wettbewerb mit konkurrierenden Unternehmen zu akquirieren. So konnte die BASF kürzlich eine größere Menge Methanol 10 % unter dem Marktpreis durch eine Auktion im Portal ChemConnect (s. u.) erwerben.

In Europa gaben im letzten Jahr Universitäten und Firmen über 5,3 Milliarden Mark für die Beschaffung von Labormaterialien aus. Bei klassischen Bestellungen fallen dabei pro Bestellung 100-200 DM Prozesskosten bei einem durchschnittlichen Bestellwert von ca. 500 DM an. Mit Prozesskosten sind hier Ausgaben gemeint, wie zum Beispiel für das Einholen von Angeboten und die Bestellabwicklung. Genau hier versprechen Online-Marktplätze ein enormes Rationalisierungspotential insbesondere bei den vielen Kleinbestellungen. Hier versprechen die Betreiber Einsparungen von 60-80 %.

E-Commerce-Portale - nicht ohne Probleme

Was sich in der Theorie sehr vielversprechend anhört, wird in der Praxis zunehmend schwierig, da inzwischen zahlreiche Portale weltweit in einem knallharten Ausscheidungswettbewerb stehen. Die großen Konzerne wie z. B. Bayer und die BASF fixieren sich daher momentan nicht auf einen einzigen Anbieter, sondern sind in mehreren Portalen präsent, um die Entwicklung zu beobachten und nicht plötzlich wieder bei Null zu stehen, wenn das favorisierte Portal plötzlich schließen muss. Für kleine Firmen mit geringerem Budget besteht diese Möglichkeit nicht, sie müssen sich auf einen Anbieter festlegen oder abwarten, bis sich der Markt konsolidiert hat.

Ein weiteres Problem sind die weltweit sehr unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen (Haftung, Gefahrgutrecht etc.), die eine Ausdehnung insbesondere der amerikanischen Portale auf Europa behindern. Weiterhin haben viele Unternehmen immer noch starke Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit und fürchten sich vor einem Missbrauch der Plattformen für Industriespionage oder Phantasie-Bestellungen. Doch gerade hier tun die Portal-Betreiber einiges, da immer eine Online-Registrierung erforderlich ist und einige die Daten sogar vor Freischaltung des Zugangs verifizieren. Außerdem werden alle Transaktionen grundsätzlich verschlüsselt, um so Manipulationen und unbefugten Zugriffen vorzubeugen.

Die Finanzierung der Markplätze erfolgt in der Regel ausschließlich durch Provisionen, die für jede abgewickelte Transaktion anfallen. Mitgliedsgebühren werden nur in seltenen Fällen verlangt.

Einen Gesamtüberblick über alle weltweit verfügbaren Portale an dieser Stelle zu geben, ist kaum möglich, da ständig neue hinzukommen. Einen relativ vollständigen Übersicht finden man auf den Seiten von ChemIndustry.com, wo insgesamt einige Dutzend Online-Marktplätze sowie einige hundert Online-Shops von Firmen aus dem Chemie- und Laborumfeld aufgelistet sind.

Im Folgenden werden einige der größten und bekanntesten E-Commerce-Portale für Chemikalien näher vorgestellt.

E-Commerce-Portale - eine Übersicht

ChemConnect

Das Unternehmen ChemConnect betreibt einen der ältesten Marktplätze überhaupt und richtet sich an die chemische und pharmazeutische Industrie weltweit. Die 1995 gegründete Plattform zählt inzwischen über 7000 Unternehmen aus über 100 Ländern zu ihren Mitgliedern und ist nach eigenen Angaben der größte Anbieter für Chemikalien und Kunststoffe weltweit mit einem Umsatz von über 3 Milliarden US-Dollar im letzten Jahr. Aktuelle Angebote können ohne Login eingesehen werden, ein Inserieren im Auktionsbereich ist erst nach einer Registrierung und Authentifizierung möglich. Als Besonderheit bietet das Portal eine umfangreiche Linksammlung, unter anderem eine mehrfach prämierte Zusammenstellung der Internetadressen von über 600 Chemie-Fachzeitschriften. Momentan deckt ChemConnect nach eigenen Angaben etwa 5 % des gesamten E-Commerce-Umsatzes in der Chemie-Industrie ab; in einigen Jahren soll dieser Wert über 30 % betragen. Die bekanntesten Investoren sind die BASF, ICI, DSM und Celanese, die bislang insgesamt 70 Millionen Euro in das Unternehmen gesteckt haben.

ChemDex (geschlossen)

ChemDex ist ein Unternehmen der Ventro Corporation und wurde 1997 gegründet. Der Marktplatz zählt heute über 430 Lieferanten aus der Life Science Branche zu seinen Mitgliedern. Im letzten Jahr betrug der Umsatz des an der NASDAQ notierten Unternehmens 30 Millionen US-Dollar. Nutzer in Europa können momentan noch nicht online bestellen, eine Expansion ist bereits in Planung. Man kann aber immerhin einen 30-tägigen Gastzugang beantragen, um das Angebot zu testen.

CheMatch

Chematch wurde 1995 gegründet und ist seit der Fusion mit PetroChem.net mit über 7500 angeschlossenen Firmen einer der größten Anbieter mit Schwerpunkt Petrochemikalien, Polymere und Aromaten. Allein im 2. Quartal 2000 wurden knapp 200.000 Tonnen Chemikalien im Wert von 83 Millionen Dollar umgesetzt. Zu den Investoren gehört unter anderem die Firma Bayer.

e-Chemicals (geschloseen)

Die 1998 gegründete Plattform bietet ca. 4000 Chemikalien von über 100 Anbietern zum Kauf an. Zugang zum Markplatz erhält man jedoch erst nach Registrierung und einer aufwendigen manuellen Prüfung aller Daten durch den Betreiber. Insgesamt sind über 1400 Käufer registriert.

ChemicalOnline

ChemicalOnline gehört wie das in der letzten CLB-Ausgabe vorgestellte LaboratoryNetwork zum weltgrößten Portal-Verbund VerticalNet. Das Angebot versteht sich als umfassende Community mit Branchenbuch, News, Jobangeboten, einer Linksammlung und einem umfangreichen E-Commerce-Bereich mit Bestellmöglichkeiten und Online-Auktionen.

mySAP

Der Online-Markplatz der Firma SAP ist seit Mitte letzten Jahres im Netz und hat nach eigenen Angaben über 10 000 Mitglieder aus allen Branchen. Ein spezieller Marktplatz für die Chemie- und Pharmaindustrie wurde kürzlich eröffnet. Nach einer Registrierung können interessierte Firmen ihre eigenen Produkte inserieren und darüber hinaus eigene Auktionen bei i2ichemicals (http://www.i2i.com) anbieten, einem weiteren Marktplatz, mit dem mySAP eine Partnerschaft speziell für Online-Auktionen eingegangen ist. Interessant an mySAP ist vor allem die Integration bestehender SAP/R3-Lösungen der beteiligten Firmen in den Marktplatz. Pilotkunden sind unter anderem Bayer, BASF und Degussa-Hüls.

cheop

Zum Schluss soll auch einer der wenigen deutschen Anbieter vorgestellt werden. Cheop (ausgeschrieben "Chemical Opportunities") ist ein Unternehmen der Metallgesellschaft und im Herbst 1999 ans Netz gegangen. Der Marktplatz verzeichnet momentan 1000 registrierte Mitgliedsfirmen und bietet neben dem E-Commerce-Bereich auch umfangreiche Brancheninformationen. Der Marktplatz enthielt Ende Juli knapp 9000 Angebote und 1500 Nachfragen der beteiligten Unternehmen. Gehandelt werden hier überwiegend Chemikalien, daneben aber unter anderem auch Laborbedarfsartikel und Werkzeuge. Im Juni wurde CHEOP von der renommierten Unternehmensberatung OC&C Strategy Consultants als "E-Company of the Year 2000" ausgezeichnet.

Fazit

Der Markt für E-Commerce-Portale ist momentan noch sehr dynamisch und wird bei der Fülle der Anbieter immer unübersichtlicher. In absehbarer Zeit setzt aber sicher eine Konsolidierung ein, und nur einige große Portale werden bestehen bleiben. Es ist daher momentan riskant, sich allein auf einen Anbieter zu fixieren. Vielmehr sollten die mittelständigen Unternehmen der chemischen Industrie erst ihre internen Geschäftsprozesse an die neuen Herausforderungen anpassen, denn dies ist wesentlich für eine spätere erfolgreiche Umsetzung von E-Commerce-Lösungen. Die Wahl eines oder mehrerer Portale zur Präsentation der eigenen Produkte und zur Geschäftsanbahnung ist dann erst der zweite Schritt.

Literatur

[1] E-Commerce in der Chemie - Fußnote oder Strukturbruch?
     U. Jung, Y.P. Willers, Nachrichten aus der Chemie 48 (2000) 50-52

[2] Elektronische Drehscheiben für die Laborversorgung
     E. Guggolz, Nachrichten aus der Chemie 48 (2000) 156-157

[3] Internet Marketplaces für die chemische Industrie (I+II)
     CHEManager 6 (2000) 8, 7 (2000) 14